04.11.05
Liebes Tagebuch, lange habe ich mich hinter
meinem Zweifel versteckt, habe mir tag um tag Bedenkzeit
erbeten und mich mit der Suche nach dem besten Weg für mich
auseinander gesetzt. Nun aber bin ich wach gerüttelt und aus
meiner Legathi des Selbstzweifels, durch die Ereignisse der
letzten Tage (T-Com baut weitere 8000 stellen pro Jahr ab)
gerissen. Und der dumme Aktienmob applaudiert! Nun hat mein
Schweigen ein Ende und ich habe diesen Akt der
Unverschämtheit (ein Verhalten das die Schamgrenze von
Mitarbeitern und Kunden gleichermaßen berührt) zum Anlass
genommen, dies zu meiner Chefsache zu erklären.
Aber
zunächst, wie ging es vor Wochen mit mir weiter?
...und de Trumm mät ne harde knall... So ist der Text von
den blanken Füßen.
Und die Trommel macht einen harten
schlag …und ich bin wieder da.
Hallo hier war ich
wieder, nicht verstorben aber ein wenig durch die Mühle
gedreht. Meine arbeitsfreien Tage hatten sich auf gerade mal
3 Tage begrenzt und dann war ich wieder bei den Drückern.
Ich kann offen über das was mich demotiviert hat reden. Es
waren schlichtweg die finanziellen Umstände die mich fast in
den Ruin getrieben haben, es war die tägliche Anfahrt mit
den hohen Spritkosten, die Tatsache, dass ich mich auf der
Strasse teuer selbst verpflegen musste und dass ich, bedingt
durch meine korpulente Erscheinung nicht von den tollen
Klamotten für Außendienstler teil haben konnte. Alle diese
Dinge wurden inzwischen zu meiner Zufriedenheit geklärt,
aber nun tat sich ein nächster Zweifel auf, der mich
belastet, und darüber werde ich nun endlich mein Herz aus
vollen Zügen freien Lauf lassen. Ich habe mir viel Zeit
genommen darüber nachzudenken, ob ich den Schritt in die
Richtung der anders Glaubenden machen soll, der Verfechter
der freien Marktwirtschaft, meine „geliebten“ Kunden mit
ihren Problemen alleine lassen, sie an Hotlines verweisen
kann und ich mich auf meine eigenen Vorteil reduzieren
könne. Ich war auch nach drei Monaten des intensiven Denkens
kein Stück weiter. Ich habe in den vergangenen Tagen und
Wochen viele Kollegen kennen gelernt, um deren wegen es sich
lohnt mit voller Power in unserem Laden wieder zu arbeiten.
Ich habe Kunden erlebt die treu und felsenfest an uns
glauben. Ich habe mit ihnen über alte Zeiten geredet, von
Dingen die über uns beide hereingebrochen sind, und wir
haben uns gegenseitig Mut zugesprochen, sind als Freunde
auseinander gegangen und haben uns Wünsche und Hoffnung mit
auf den Weg gegeben! Ja, es gibt sie noch die Menschen die
Draußen an uns glauben. Menschen, die mich freundlich herein
bitten und mir geduldig zuhören, weil es eine Wohltat ist,
ehrliche und aufrechte Worte zu hören. Sie hören mir zu als
hätten sie auf mich gewartet. Aber es sind nicht mehr so
viele wie ich es mir wünsche. Aber was sind sie noch im
Stande zu ertragen? Wie viele inkompetente Hotlines verträgt
ein Mensch? Wann ist er seiner wiederholenden Erklärungen
müde und gibt auf? Viele sind längst den Lügen der
Mitbewerber verfallen und es werden täglich mehr, doch
keiner traut sich mit dem Finger auf jene zu zeigen die die
Schuld tragen. Wo sind die taffen Typen die das Personal
herumwirbelten, bis endlich jeder den Job, den er am besten
konnte, abgab und sich vielleicht hinter der Schranke einer
Pforte wieder fand? Hier beginnt mein Zweifel, der mir sagt
„Du bist allein rette dich, denn der Skrupel wird dich
überrennen“. Schau in die geldgeilen Gesichter einiger
Bosse, die den inneren Kampf gegen sich verloren haben und
für die es ist leichter ist ein schnelles Geschäft zu machen
als gute Tugenden und gesellschaftliche Werte zu erhalten.
Hier an dieser Stelle gebe ich unverhüllt zu, dass ich auch
nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden vermag.
Die Feinde haben dazugelernt und mein Instinkt hat im Alter
ein wenig gelitten, aber ich gebe nicht auf und werde mir
eine List zulegen müssen. Ich sehe sie durch unsere
vergoldeten Gänge stolzieren, die jungen Desperados ohne
Erfahrung aber mit Pseudobescheinigung ihres
Intellekts. Die Zöglinge neuer Seilschaften die weder
Erfahrung noch Kompetenz besitzen und Abends, wenn sie
zuhause sind, sich nach dem Goldstaub umschauen, der an
ihren Ärmeln hängen geblieben ist, als sie mit Hektik und
blindem Aktionismus durch die goldenen Gänge der
Führungsetage geschlichen sind. Sollte mich doch unerwartet
einer nach meiner persönlichen Motivation fragen, warum ich
so an meinem Unternehmen hänge, so habe ich nur eine
Antwort. Ich stellte täglich fest, dass ich ohne es zu
Wissen näher mit dem Unternehmen verbunden bin als ich es
selber zugeben möchte. In Wirklichkeit wäre ich doch ohne
diesen Job ein Nichts. Er hat mein Leben seit 36 Jahren
geprägt und begleitet. Es ist meine Aufgabe in diesem
Unternehmen Gutes zu leisten und an mein Lebenswerk zu
glauben, denn ich habe nichts anderes. Auch wenn ich nur ein
kleines winziges Rädchen im Ganzen bin, habe ich dennoch die
Macht andere mitzuziehen. Es ist mein Geheimnis, welche
Bündnisse und welche Verschwörungen ich mit anderen mutigen
Kollegen eingehen werde, aber wir sind uns einig, wir wollen
den Ruf und das Unternehmen retten, es ist unser Ruf, egal
welche Pappnasen sich dazu berufen fühlen die Verantwortung
tragen zu wollen. Von allen klugen Lehrgängen ist mir nur
ein Spruch würdig, ihn sich zu merken:„Gib niemals auf“
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