02.05.2005
Es
ist soweit, der Tag ist gekommen, ab dem ich mein Geld auf
der Strasse verdiene. Ich habe ein seltsames Gefühl im
Magen, nehme aber tapfer eines meiner beiden neuen weissen
Hemden und ziehe es an. Wann hatte ich das letzte mal ein
weisses Hemd an frage ich mich. Die Erinnerung sagt mir, es
muß schon lange her sein. Nun zwänge ich mich in eine alte
Jeans, die ich auf dem Dachboden in einem alten Koffer
gefunden habe, sie war schon ausgemustert, weil ihr dunkles
schwarz mir doch irgendwann zu bieder erschien. Mein dicker
Arsch zwängt sich in die dunkle Hose und es kommt mir der
Gedanke einer Presswurst in den Sinn, denn es ist etwas
"spax" unter dem Bauch als ich sie schließen will.
Eigentlich war der Wunsch des Anführers, dass wir in einer
Tuchhose erscheinen mögen, aber er soll doch froh sein das
ich mir die zwei tollen weissen Hemden zugelegt habe. Beim
umbinden des Schlipses ereilt mich die Stimmung wie in einer
Theatergarderobe. Nun noch mein schwarzes Jeanswestchen und
mein Auftritt kann beginnen. Nach meiner Ankunft in Köln,
nach etlichen Staus und kleinen Orientierungsproblemen, wird
mir nahe gelegt, meinen hässlichen Schlips durch einen noch
hässlicheren, dienstlichen zu ersetzen. Nun ist mein Outfit
fast perfekt und nach einer Beschwörungszeremonie bin ich
endlich auf der Strasse. Der dicke Rolf sieht sein
Spiegelbild in jedem Schaufenster und es ist lustig
anzusehen, in welch sonderbarer Gewandung ich umher laufe.
In all den vergangenen Jahren haben sich die Menschen an
meine Jesuslatschen, meine Schlabberfummel und Zöpfe
gewöhnt, oder zumindest ich ihre Blicke ignoriert, aber
meine jetzige Erscheinung ähnelt mehr den Comicfiguren in
den Freizeitparks und so reihe ich mich ein, hinter Donald
Duck, Goofy und Mickymaus. In jedem Moment bin ich in
Erwartung auf die Kinderschar, die von mir ein Autogramm in
ihrem Tagebuch haben will.
03.05.2005
Von 0
auf Hundert, so beschreibe ich meine körperliche Verfassung.
Nach jahrelangem Stillsitzen vor einem Schreibtisch ist
meine physiologische Verfassung die eines Schwammes, schon
der leichteste Druck lässt mich nachgeben. Ich fühle mich
körperlich am Ende und jede Bewegung endet in einem
Schweißausbruch. Es regnet und die schwüle Luft macht dem
dicken Rolf ordentlich zu schaffen. In meiner warmen, neuen
Dienstjacke nehme ich noch vor der Mittagspause ein Bad,
nicht weil es regnet, sonder weil ich schwitze wie die Sau.
Meine innere Stimme spricht zu mir "halt durch, dies ist der
einzige Grund warum du den ganzen Kram hier mitmachst,
dienstlich verordnete Bewegung, sie ist gut für dich, gut
für deine Gesundheit wenn du länger Leben willst." Und so
laufe ich weiter und weiter und während meine Mitstreiter
noch mit ihren psychischen Problemchen kämpfen und ihrer
scheu vor den Kunden, schwinge ich meine Pfunde die Strasse
entlang. Trepp auf Trepp ab, fun for fitness, sage ich mir,
dass ist der Job, der mir gerade noch gefehlt hat zu meinem
Glück, mal sehen was meine alte Pumpe noch so hergibt. Wie
lange werde ich noch die Kleidergröße >XXL haben? Es ist
doch erst der zweite Tag, dennoch forderte der Job das erste
blutige Opfer von mir. Ich, so schreie ich es in die Welt,
dass es jeder hören kann, ich habe mir heute die Füße blutig
gelaufen. Na ja, eigentlich war es nur der linke kleine Zeh,
der sich in den Lederschuhen nicht zurecht gefunden hatte,
aber es war richtiges Blut, was ihn so traurig aussehen ließ
nach dem ich die Socken ausgezogen hatte. Er tat mir leid,
hatte er all die letzten Jahre, auch im Winter viel Platz in
den Birkenstock gehabt, so ist es nun vorbei, aber in
solchen Zeiten müssen wir alle Opfer bringen und
zusammenrücken.
04.05.2005
Routine stellt sich ein. Das Laufen
geht schon ein wenig besser und ich klappere eine gute Zahl
netter Menschen ab. Am späten Nachmittag treffe ich mich mit
den "alten" Kollegen in der Bude vom Andreas dem
HotSpotmobiler. Thomas der lächelnde ist auch schon da. Nach
einer Weile treffen mehr und mehr ein, und als der
Doppelvierer komplett ist ziehen wir in den Vatertag. Welch
eine Welt. Köln bei Nacht. |
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